N.N., Muster Str. NN, NNNNN Berlin.

18.07.2016

Verwaltungsgericht Berlin
Kirchstr. 7
10557 Berlin

Aktenzeichen: AZ

Betrifft: N.N. ./. Rundfunk Berlin Brandenburg.

    Beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind mehrere Beschwerden gegen den "Rundfunkbeitrag" anhängig, mir sind z.B. die Aktenzeichen 1BvR 2666/15 und 1BvR 1382/16 bekannt.

    Ich rege an, mein Verfahren dem BVerfG nach Art. 100 GG vorzulegen, oder es wenigstens bis zu einer Entscheidung des BVerfG über die Beschwerden auszusetzen.

    Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) folgt in seinen Urteilen vom 18.03.2016 den Argumenten der Musterurteile und fügt wenig Neues zu. Es widerspricht in einigen Stellen der Rechtsprechung des BVerfG und sogar der eigenen. Auf manche dieser Argumente habe ich schon Stellung genommen, so dass ich mich hier beschränke, Ergänzungen und Kommentare hinzuzufügen. Ich beziehe mich auf das Urteil[Fussnote: http://bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?lang=de\&ent=180316U6C7.15.0] 6 C 7.15 (18.03.2016), das mit anderen fast identisch ist.

§1 Zum Härtefall

    Unter 1 (Rn 9) behauptet das BVerwG, dass der bewusste Verzicht auf ein Rundfunkempfangsgerät keinen besonderen Härtefall begründen könne und dass eine derartige Auslegung dieses Begriffs dem Normzweck der §§2 ff. RBStV widerspräche, weil die Rundfunkbeitragspflicht für private Haushalte nach dem Regelungskonzept dieser Bestimmungen in Abkehr von der früheren Rundfunkgebührenpflicht gerade unabhängig von dem Bereithalten eines Empfangsgerätes bestehen soll. Unter 5 (Rn 29) behauptet es aber später, dass Wohnungsinhabern individuell wegen der bloßen Rundfunkempfangsmöglichkeit einen Vorteil zugerechnet werden könne, weil statistisch nahezu alle Empfangsgeräte in der Wohnung bereithalten und von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ich halte keine Geräte zum Empfang bereit und nutze Rundfunk nicht, aber statistisch halte und nutze ich sie laut dem BVerwG doch, und ich soll zahlen, weil die Abgabe unabhängig vom Bereithalten von Geräten sei. Individuell und statistisch stehen in Widerspruch miteinander. Individuell spielen hier Geräte keine Rolle, statistisch doch. Ist das ein individueller Vorteil oder ein statistischer Vorteil? Immerhin begründete ich den Härtefall in meinem Befreiungsantrag nicht (nur) mit dem Nicht-Bereithalten von Geräten.

§2 Zur Notwendigkeit der Prüfung der Rechtmäßigkeit

    Unter 2 stellt das BVerwG fest, dass die Beitragspflicht nach §2 RBStV in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Handlungsfreiheit der Beitragsschuldner eingreift, und diese daher eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beitragsfestsetzung und damit auch der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags für den Haushaltsbeitrag verlangen können. Ich machte mehrere Grundrechte geltend, die ich verletzt sehe, wenn ich nicht befreit werde und damit zur Zahlung des Beitrags (schon per Gesetz ohne Festsetzung) verpflichtet werde, darunter die Handlungsfreiheit. Das Gericht sollte die Verfassungsmäßigkeit des RBStV allein auf Grund meines Befreiungsantrags, aber auch um ein (offensichtlich und offenkundig) verfassungswidriges Gesetz nicht anzuwenden, sorgfältig überprüfen, und zwar ohne dass ich es ausdrücklich verlange. Wenn aber das BVerwG meint, dass ich trotz meinen zahlreichen Hinweisen auf die Verfassungswidrigkeit es verlangen müsse, dann:

Hiermit beantrage ich, die Recht- und Verfassungsmäßigkeit des RBStV zu überprüfen, und bei Verfassungswidrigkeit das Verfahren dem BVerfG nach Art. 100 GG vorzulegen.

§3 Zur Informationsfreiheit

    Unter 10 (Rn 50) wird erneut behauptet, dass die Abgabepflicht die Informationsfreiheit nicht verletze. Dieses für mich sehr wichtige Thema behandelte ich in meinen Schreiben, angefangen mit dem Antrag K1 vom 24.07.2013, ausführlich.

    Die Ausführungen des BVerwG sind nicht nachvollziehbar. Auch wenn die Abgabepflicht nicht darauf abzielen würde, allgemein gegen das Recht der Informationsfreiheit zu verstoßen[Fußnote: vgl. letzten Absatz unter 3 in meinem Antrag vom 24.07.2013], verletzt sie meine (positive und negative) Informationsfreiheit. Dass die Beitragspflicht die Informationsfreiheit von nahezu allen nicht verletzt, weil angeblich nahezu jeder Abgabepflichtige über eine Empfangsmöglichkeit verfügt (und sie nutzt), bedeutet nicht, dass sie meine Informationsfreiheit nicht verletzt.

    Das BVerwG behauptet, dass die Abgabepflicht wegen der Höhe des Beitrags objektiv nicht geeignet sei, Interessenten von Informationen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks fernzuhalten: dies kann allenfalls für die alte "Gebühr" gelten. Hier erkennt man, dass das BVerwG die Informationsfreiheit mit so wenig Sorgfalt wie der "Beitragsservice" behandelte. Es ignoriert, dass es sich jetzt um eine Zwangsabgabe handelt, die nicht im Zusammenhang mit der Rundfunkleistung steht, und dass schon zur Zeit der "Gebühr" Rundfunk als Gesamtveranstaltung betrachtet wurde (siehe §8 Abs. 4 und 5 meiner Klageschrift vom 13.10.2014).

    Ich verweise auf den Aufsatz "Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG: Freiheit für den Rundfunk und Freiheit vom Rundfunk" von Dr. Horst Kratzmann in der Zeitschrift "Die Öffentliche Verwaltung" (DÖV, Heft 17/2015. S. 743). Er bestätigt, dass die Reform der Rundfunkfinanzierung nicht einen kleinen Schritt darstellt, sondern einen großen Schritt aus dem Grundgesetz heraus, dass ihre Verfassungswidrigkeit offenkundig und einfach zu begründen ist, dass sie die negative Informationsfreiheit missachtet. Das Bundesverfassungsgericht hebelte im ersten Rundfunkurteil (1961) die Rundfunkfreiheit (Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG) im Interesse der Meinungs- und Informationsfreiheit (Satz 2) als vorläufige Notlösung wegen der technischen Gegebenheiten aus, es suspendierte das Grundrecht der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk für jedermann und überantwortete dafür diese Berichterstattung den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die eine Meinungsvielfalt produzieren sollten, die den Trägern des Grundrechts auf Informationsfreiheit gebührt. So wie diese Notlösung heute überholt sei, so könne auch die vermeintlich "dienende" Überwältigung der Informationsfreiheit ab 2013 keinen Bestand haben. Die Anstalten genießen zwar als Träger der Rundfunkfreiheit die Grundrechtsfähigkeit, sie seien aber, wenn sie eine Abgabe fordern, Hoheitsträger und daher grundrechtsverpflichtet. Der Grundrechtekatalog könne unmöglich in seiner Ganzheit oder in Teilen zur Ermächtigung auch für Bürgerpflichten uminterpretiert werden. Die sachlichen Zusammenhänge zwischen den Sätzen 1 und 2 des Art. 5 Abs. 1 GG geben schon als solche keinen Grund für die Auferlegung von Pflichten zulasten von Grundrechtsträgern. Der Zwangsbeitrag habe bei den Grundrechten keinen Platz und beim Finanzwesen keine Grundlage.

§4 Benachteiligung abhängig von der Anzahl der Mitbewohner

    Schon weil ich allein wohne, benachteiligt mich die Abgabepflicht stark. Zwar wies ich in meinem Antrag darauf hin, dort standen aber meine Handlungs-, Informations-, Meinungs- und Gewissensfreiheit im Vordergrund als mein wichtigstes Anliegen. Andererseits ist die Verfassungswidrigkeit des RBStV nirgendwo deutlicher als hier, wenn die anderen von mir geltend gemachten Grundrechte als bedeutungslos und nur Zierde des Grundgesetzes betrachtet werden. Es ist zu bedauern, dass das BVerwG auch hier mit sehr leicht zu widerlegenden Ausführungen die Landesgesetzgeber von der Verpflichtung zum Grundgesetz und vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit befreite (Rn 46). Allein diese Ungleichbehandlung sollte Anlass zu einer Vorlage nach Art. 100 GG sein.

    Unter 9 (Rn 45) behauptet das BVerwG:

"Die Anknüpfung der Rundfunkbeitragspflicht an die Wohnung hat den Vorteil [gegenüber die Pro-Kopf-Abgabe], dass für die Beitragserhebung nur ein Wohnungsinhaber (Bewohner) bekannt sein muss. Es wird vermieden, dass die Daten aller Inhaber ermittelt und auf dem aktuellen Stand gehalten werden müssen. Die personelle Fluktuation innerhalb einer Wohnung kann außer Betracht bleiben (LT-Drs. NW 15/1303 S. 35). Dies reicht als Rechtfertigung des wohnungsbezogenen Verteilungsmaßstabs aus, weil ein personenbezogener Maßstab (`Pro-Kopf-Beitrag') einerseits einen größeren Ermittlungsaufwand notwendig macht, andererseits aber nur zu geringen Verschiebungen der individuellen Beitragsbelastungen führt."

Es ist genau umgekehrt, eher die Pro-Kopf-Abgabe hat diesen Vorteil. Bei der jetzigen Abgabe muss jeder, der irgendwo wohnt, zu einer "Beitragsnummer" einer Wohnung zugeordnet werden: alle Wohnungsinhaber müssen bekannt sein. Der "Beitragsservice" muss immer aktuelle Daten darüber sammeln, wer mit wem wohnt: diese Daten betreffen jeden Inhaber einer Wohnung, sind nicht mal beim Einwohnermeldeamt und müssen ermittelt werden[Fußnote: Anschriften aus dem Einwohnermeldeamt entsprechen nicht Wohnungen]. Und wenn jemand umzieht, muss er erneut zu einer bestehenden oder neuen Beitragsnummer zugeordnet werden: Fluktuation muss berücksichtigt werden. Bei der Pro-Kopf-Abgabe brauchten die Rundfunkanstalten lediglich eine aktuelle Anschrift, notfalls aus dem Einwohnermeldeamt, und zwar erst dann, wenn bei Nicht-Zahlung vollstreckt werden soll. Der Einzug wäre geregelt wie bei jedem Dienstleister, oder wie beim Finanzamt, die private Daten über Wohnverhältnisse nicht sammeln. Die Mahnverfahren wären gezielter und einfacher, ohne bei mehreren Gesamtschuldnern nacheinander zu versuchen. Die Anzahl der Zahlenden wäre zwar etwas größer, aber das ist auf Grund der modernen EDV unbedenklich. Wahrscheinlich wäre die Anzahl der Mahnverfahren in Verhältnis zum gesamten Zahlungseingang niedriger. Die Pro-Kopf-Abgabe ließe sogar eine gezielte Entlastung von Familien (und nicht Wohngemeinschaften) regeln.

    Wenn Inhaber einer Wohnung aus Gründen der informationellen Selbstbestimmung oder aus sonstigen Gründen nicht mitteilen können, dass sie in derselben Wohnung wohnen, ist der RBStV eigentlich nicht vollziehbar, aber dann wird jeder Bewohner gezwungen, die volle Abgabe zu zahlen, da wird für die Wohnung mehr als das gezahlt, was das Gesetz vorschreibt. Hier wird wiederum die übliche Willkürregel angewandt: "Im Zweifel für die Rundfunkanstalt". Die dem Bürger auferlegten, unerfüllbaren Beweislasten (Umkehrung der Beweislast) spielen eine wesentliche Rolle in der Konstruktion der Haushaltsabgabe, sie bringen den Rundfunkanstalten mehr Geld, und werden ständig als Rechtfertigung von Verletzungen von Grundrechten benutzt (Siehe letzten Absatz in Seite 11 meiner Klageschrift vom 13.10.2014).

    Ungleichbehandlung und Willkür entstehen durch die Haftung der Inhaber einer Wohnung als Gesamtschuldner (§2 Abs. 3 RBStV). Das Gesetz schreibt eine gleichmäßige Verteilung der Abgabeschuld unter den Inhabern nicht vor, es befreit sogar manche Inhaber von der Gesamtschuld. Das Problem der genauen Verteilung der Last überlässt das Gesetz den Wohnungsinhabern, die eventuell keine andere Beziehung unter einander haben, als unter demselben Dach zu wohnen. Bei einem Mehr-Personen-Haushalt mag mal nur einer die ganze Last tragen und nicht unbedingt durch Vereinbarung, bei einem anderen könnte die Last gleichmäßig verteilt sein. Der "Beitragsservice" wählt nach seiner Willkür, welcher Bewohner zahlt, dieser hat aber eventuell keine rechtliche Grundlage, um einen Anteil der Abgabe vom Rest der Mitbewohner zu verlangen. Ob ein befreiter Bewohner als Schuldner eines Teiles der Abgabe gegenüber jenen gilt, der dem "Beitragsservice" zahlt, hängt vom inneren Verhältnis in der Wohnung ab, das nicht unbedingt geregelt sein muss, hängt eventuell davon ab, ob auch seine Mitbewohner ihn befreien. Man kann nur sagen, dass (nicht befreite) Bewohner von Haushalten mit n (nicht befreiten) Personen {\ti im Durchschnitt\/} die volle Abgabe geteilt durch n zahlen. Bei einem Haushalt mit n nicht befreiten Personen gibt es {\ti immer\/} einen nicht befreiten Bewohner, der die volle Abgabe geteilt durch n zahlt oder weniger.

    Der Abgabetatbestand des "Rundfunkbeitrags" ist das Innehaben einer Wohnung. Der Maßstab ist zwar wohnungsbezogen, aber der vermeintliche Vorteil ist personenbezogen (vgl. Rn 45). Personen sollen also für ihren vermeintlichen Vorteil zahlen. Jede Person zahlt etwas (oder nichts) abhängig von der Anzahl seiner Mitbewohner nach der oben beschriebenen Willkür und Gesetzlosigkeit. Ich habe mehrmals dargelegt, warum das Innehaben einer Wohnung (und daher auch die Anzahl der Mitbewohner) nichts mit Rundfunknutzung oder Empfangsmöglichkeit zu tun hat. Waren hier nicht grobe Verletzungen des Gleichheitssatzes zu erwarten?!

    Mit der Behauptung, dass sich die Nutzungsgewohnheiten mehrerer Inhaber einer Wohnung untereinander ausgleichen, wird suggeriert, dass die Intensität der Nutzung von der Anzahl der Mitbewohner abhängt, sinngemäß: "mein Mitbewohner nimmt mir den Überschuss an Rundfunknutzung weg, daher zahle ich weniger". Abstrus! Die Intensität der Rundfunknutzung, wie auch die Empfangsmöglichkeit, hängt nicht von der Anzahl der Mitbewohner ab, aber die Höhe der Haushaltsabgabe ist z.B. für den Durchschnitt der Bewohner von Zwei-Personen-Haushalten die Hälfte von der Höhe bei Ein-Person-Haushalten, für den Durchschnitt der Bewohner von Drei-Personen-Haushalten ein Drittel, usw. Hier werden Menschen, die in Bezug zum Rundfunk gleich sind, extrem ungleich belastet.

    Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz ist sehr intensiv und in Zahlen auszudrücken: die volle Abgabe ist viel mehr als ihre Hälfte und als ein Drittel von ihr. Die Benachteiligung ist verifizierbar, offensichtlich und offenkundig. Die Anzahl der Benachteiligten ist nicht so gering, dass man jeden Benachteiligten als gering und rechtlos erklären kann. Das verfassungswidrige Gesetz mag zuerst sicheres Geld bringen, aber seine Praktikabilität wird übertrieben: unter der bedienten falschen Annahme, dass jeder Rundfunk nutze, ist die ebenfalls ungerechte Pro-Kopf-Abgabe realitätsgerechter und praktikabler als die Wohnungsabgabe. Der Grund, warum trotz der Unverhältnismäßigkeit die Haushaltsabgabe bevorzugt wurde, findet man wahrscheinlich in §7 meiner Klageschrift vom 13.10.2014. Die allgemeinen Ausführungen des Berliner Musterurteils (Seite 9) über Typisierung sollten genügen, um die Verfassungswidrigkeit festzustellen.

§5 Zur unzulässigen Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben

    Unter 8 (Rn 41) befreit das BVerwG den Gesetzgeber von der unzulässigen Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben mit Mitteln aus dieser (vermeintlichen) Vorzugslast[Fußnaote: Erwähnt im letzten Absatz in Seite 4 meines Antrags vom 24.07.2013, im letzten Absatz in Seite~3 meiner Klageschrift vom 13.10.2014, in §4 meines Schreibens vom 08.12.2014 und §7 meines Schreibens vom 29.07.2015.] mit den merkwürdigen Sätzen:

"Demgegenüber besteht die Rundfunkempfangsmöglichkeit für den größten Teil der Bevöl\-kerung; ansonsten wäre die Erhebung des Rundfunkbeitrags als Vorzugslast nicht möglich (vgl. unter 5.). Hinzu kommt, dass die Landesgesetzgeber eine Finanzierung des funktionsnotwendigen Finanzbedarfs des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aus den Landeshaushalten zur Sicherung der Programmfreiheit ausschließen durften (vgl. unter 4.)."

Das BVerwG schreibt "den größten Teil der Bevölkerung", weist auf eine Stelle (unter 5, sicher Rn 29) hin, wo es "nahezu alle" steht, gemeint ist aber sicher "die Allgemeinheit", denn nur so hat das Zitat einen Sinn: das Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit sei hier nicht verletzt, weil Aufgaben für die Allgemeinheit von der Allgemeinheit finanziert werden (--- leider nicht nach Leistungsfähigkeit). Ist das wirklich eine Vorzugslast oder eher eine verfassungswidrige Steuer? Warum war die Umschreibung von "Allgemeinheit" mit "dem größten Teil der Bevölkerung" nötig?

    Der zweite Satz, bezüglich des Ausschlusses der Finanzierung aus dem Haushalt, ist nicht nachvollziehbar. Bei der Deckung mit Haushaltsmitteln von Fehlbeträgen aus Befreiungen oder von Kosten anderer gut abgrenzbaren allgemeinen Staatsaufgaben hat der Staat keine Einflussmöglichkeit. Problematisch bleibt zum Beispiel der Ausgleich vom "Vorzug" des funktionierenden öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems für die Kultur, die Demokratie, die Urteilskraft und die Erwerbsbedingungen im Gemeinwesen (vgl. 5. Satz in Rn 2 zusammen mit Rn 5, sowie Kirchhofs Gutachten, Seite 61): Welcher Anteil der jetzigen Rundfunkabgabe entspricht diesem angeblichen Gewinn für das Gemeinwesen?

    Ich verweise auf die Aufsätze "Finanzierungsverantwortung jenseits des Steuerstaats" (DÖV 2015, S. 220) und "Rundfunkbeitragsrechtsprechung als Herausforderung des Abgabenrechts" (DÖV 2016, S. 279) von Professor Dr. Klaus Meßerschmidt, die dieses Thema ausführlich behandeln und nachweisen, dass hier das BVerwG eigener Rechtsprechung und der Rechtsprechung des BVerfG widerspricht.

§6 Zur Vergrobung des Abgabetatbestandes

    Unter 6 (Rn 32) rechtfertigt das BVerwG die Vergrobung des Abgabetatbestandes mit:

"Der Wechsel von dem Anknüpfungsmerkmal `Gerätebesitz' zum Anknüpfungsmerkmal `Wohnung' war sachlich gerechtfertigt, weil die Anknüpfung der Rundfunkgebührenpflicht an das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgeräts eine zunehmende `Flucht aus der Rundfunkgebühr' ermöglichte. Dadurch war jedenfalls ernstlich zweifelhaft geworden, ob die Rundfunkgebührenpflicht noch mit dem Verfassungsgebot der Belastungsgleichheit der Abgabenpflichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar war."

Und verweist dabei auf Entscheidungen des BVerfG. Die "Flucht aus der Abgabe" war aber schon ein Thema bei den Verfahren über die "PC-Gebühr", die mit dem Beschluss 1 BvR 199/11 (22.08.2012) vom BVerfG endeten. Das BVerfG führt da aus:

"Darüber hinaus ist ein gleichheitswidriges, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Erhebungsdefizit aufgrund struktureller, im Rundfunkgebührenstaatsvertrag angelegter Erhebungsmängel auch bei entsprechender Anwendung der Maßstäbe zur Beurteilung der Gleichheitswidrigkeit einer Steuererhebung (vgl. BVerfGE 84, 239 <268 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf die Erhebung von Rundfunkgebühren nicht erkennbar. Denn die Nichtanzeige anzeigepflichtiger Rundfunkempfangsgeräte ist aufgrund der im Rundfunkgebührenstaatsvertrag vorgesehenen Kontrollinstrumente mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2011 - 1 BvR 3255/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 465 <466>; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. Februar 2011 - 1 BvR 2480/08 -, NVwZ-RR 2011, S. 466)."

Hier steht das BVerwG in Widerspruch mit den Ausführungen des BVerfG.

    Unter 7 behauptet das BVerwG, dass dem Gesetzgeber ein "weitreichender Gestaltungsspielraum" bei Entscheidungen, die den Gleichheitssatz betreffen, eröffnet sei. Der Gesetzgeber dürfe das Erhebungsverfahren auf Kosten der Einzelfallgerechtigkeit vereinfachen, um einen unverhältnismäßigen Ermittlungsaufwand zu vermeiden. Dann behauptet es:

"Danach durften die Landesgesetzgeber die Rundfunkbeitragspflicht von Personen, die bewusst auf eine Rundfunkempfangsmöglichkeit verzichten, als `kleineres `Übel' in Kauf nehmen, um die zunehmende `Flucht aus der Rundfunkgebühr' zu beenden. Wie soeben unter 6. dargelegt, war die Ablösung der gerätebezogenen Rundfunkgebührenpflicht durch die wohnungsbezogene Rundfunkbeitragspflicht sachgerecht, wenn nicht geboten, um die verfassungsrechtlich notwendige gleichmäßige Belastung aller Personen mit Rundfunkempfangsmöglichkeit zu gewährleisten."

Die Verletzung des Gleichheitssatzes von Nicht-Nutzern wie mir rechtfertigt also das BVerwG mit seinen Ausführungen über die "Flucht aus der Gebühr", die den Ausführungen des BVerfG widersprechen.

    Folgendes Zitat aus dem Urteil BVerfGE 90, 60 (22.02.1994) zeigt aber, dass es nicht so einfach mit der Verletzung des Gleichheitssatzes ist:

"Die Rundfunkgebühr ist von denjenigen Personen zu entrichten, die ein Empfangsgerät bereithalten, während Personen ohne Empfangsgerät nicht in Anspruch genommen werden. Diese Differenzierung beruht auf sachlichen Gründen. Denn wie immer die Rundfunkgebühr in das System der öffentlichen Lasten einzuordnen sein mag, dient sie jedenfalls der Finanzierung von Rundfunkveranstaltungen. Unter Gleichheitsgesichtspunkten ist es deswegen nicht zu beanstanden, daß dazu herangezogen wird, wer sich durch Bereithaltung eines Empfangsgeräts die Nutzungsmöglichkeit verschafft hat."

Hier geht es um Gleichheitsgesichtspunkte bei der alten "Gebühr", um die mittelbare Beziehung zwischen der "Gebühr" und der Rundfunknutzung. Wesentlich in diesem Argument ist die Freiheit, sich die Nutzungsmöglichkeit in einer bestimmten Weise zu verschaffen oder nicht. Die benutzten Wörter "Bereithaltung" und "sich verschaffen" weisen auf eine freiwillige Handlung mit einem bestimmten Zweck hin (Rechner oder Wohnungen verschafft man sich aber nicht, um Rundfunk zu empfangen). Dass man in der Lage ist, sich Geräte nicht zu verschaffen, um nicht abgabepflichtig zu werden, ist hier wesentlich. Hier geht es nicht um eine kostenpflichtige Möglichkeit oder um ein kostenpflichtiges Angebot (unerwünschter Leistungen). Hier ist es auch offensichtlich, dass das BVerfG die Abgabe in das System der öffentlichen Lasten nicht eingeordnet hat, obwohl es sie Rundfunkgebühr nennt. Dies widerspricht auch dem Berliner Musterurteil, das behauptet, dass das BVerfG die Abgabe in ständiger Rechtsprechung als Vorzugslast gebilligt habe.

§7 Zur Rechtfertigung der Abgabe

    Unter 4 (Rn 17) behauptet das BVerwG: "Die notwendige Rechtfertigung der Rundfunkbeitragspflicht [als nicht steuerliche Abgabe] ergibt sich aus dem rundfunkspezifischen Finanzierungszweck des Beitragsaufkommens". Da hier der Zweck das Mittel rechtfertigen soll, führt es weiter aus: "Zu diesem Zweck kann die Beitragspflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten auf alle Rundfunkteilnehmer, d.h. auf Personen mit einer Rundfunkempfangsmöglichkeit, erstreckt werden". Dabei weist das BVerwG ausgerechnet auf das oben unter §6 von mir gerade zitierte Urteil BVerfGE 90, 60 <90 f.> hin:

"Da die derzeitigen Defizite des privaten Rundfunks an gegenständlicher Breite und thematischer Vielfalt nur hingenommen werden können, soweit und solange der öffentlichrechtliche Rundfunk in vollem Umfang funktionstüchtig bleibt, ist es auch weiterhin gerechtfertigt, die Gebührenpflicht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger allein an den Teilnehmerstatus zu knüpfen, der durch die Bereithaltung eines Empfangsgeräts begründet wird."

Das BVerwG verweist auf das BVerfG, aber weicht wesentlich von ihm ab. Rundfunkteilnehmer und daher Abgabeschuldner ist für das BVerwG, wer eine Rundfunkempfangsmöglichkeit hat, für das BVerfG aber, wer Empfangsgeräte bereit hält. Die angeblich abgabepflichtige Rundfunkempfangsmöglichkeit behandelte ich ausführlich in §4 und §5 meines Schreibens vom 29.07.2015. Auch die offensichtlich absichtliche Umdeutung der Rechtsprechung wird da behandelt.

    Danach beschreibt das BVerwG die hehre Aufgabe und herausragende Bedeutung des Rundfunks, die die Rundfunkfreiheit und die Rücksichtslosigkeit der Abgabe, deren Zweck seine Finanzierung ist, rechtfertigen sollen. Damit wir nicht aus den Augen verlieren, worum es hier konkret geht, zitiere ich Böhmermanns berühmtes Gedicht[Fußnote: Aus: http://between-the-lines-ludwig-watzal.blogspot.de/2016/04/bravo-frau-merkel.html]:

"Sackdoof, feige und verklemmt,   ist Erdogan der Präsident.
Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner,   selbst ein Schweinepfurz riecht schöner.
Er ist der Mann der Mädchen schlägt,   und dabei Gummimasken trägt.
Am liebsten mag er Ziegen ficken,   und Minderheiten unterdrücken,
Kurden treten, Christen hauen,   und dabei Kinderpornos schauen.
Und selbst Abends heißt statt schlafen,   Fellatio mit hundert Schafen.
Ja, Erdogan ist voll und ganz,   ein Präsident mit kleinem Schwanz.
Jeden Türken hört man flöten,   die dumme Sau hat Schrumpelklöten.
Von Ankara bis Istanbul,   weiß jeder, dieser Mann ist schwul,
Pervers, verlaust und zoophil   Recep Fritzl Priklopil.
Sein Kopf so leer, wie seine Eier,   der Star auf jeder Gangbang-Feier.
Bis der Schwanz beim pinkeln brennt,   das ist Recep Erdogan, der türkische Präsident."

Information? Freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung? Kultur? Unterhaltung? Für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene? Soll jeder die Ausstrahlung dieser Obszönitäten mit gutem Gewissen finanziell unterstützen? ZDF-Intendant Bellut, der eigentlich auch für die ausgestrahlten Obszönitäten verantwortlich ist, sichert seinem Moderator Böhmermann, laut F.A.Z. vom 16.04.2016, vollen Rechtsschutz für alle Instanzen in seinem Strafprozess zu: mit dem "Beitrag" finanziert. Wer aber sich gegen diese widerliche Abgabe wehrt, soll den teuren Rechtsweg selbst zahlen, um auf dem Weg immer mit denselben, nicht überzeugenden, beharrlich wiederholten Begründungen zu verlieren.

    Unter 5 behauptet das BVerG, dass die Rechtfertigung der Rundfunkbeitragspflicht voraussetzt, dass die Abgabe eine Vorzugslast sei. Diese Rechtfertigung ist dann abzulehnen: ich habe in meinen Schreiben, besonders in jenen nach meiner Klageschrift (08.12.2014, 29.07.2015 und 17.09.2015), ausführlich dargelegt, warum sie nicht eine Vorzugslast ist und warum sie auch keine sein darf.

    Um die Abgabe zu einer Vorzugslast zu erklären und sie damit zu rechtfertigen, setzt das BVerwG voraus, dass nahezu alle die Empfangsmöglichkeit haben und sie nutzen (Rn 29). Den Vorteil haben eigentlich die Nutzer, die angeblich nahezu alle sind, gegenüber den auf Grund ihrer niedrigen Anzahl zu benachteiligenden Nicht-Nutzern, die allein für eine unterstellte, zu einem Vorteil (gegenüber niemandem) erklärte Nutzungsmöglichkeit zahlen sollen. Dieses Argumentationsmuster würde auch erlauben, andere Minderheiten zu missachten und benachteiligen. Das BVerwG setzt bei seiner Rechtfertigung der Abgabe mehrmals (vgl. §3 und §5 oben) voraus, dass nahezu alle die Empfangsmöglichkeit haben und sie nutzen, und rechnet dabei nicht mit der Informationsfreiheit.

    Als Ergänzung will ich hier auf das frische Urteil C‑11/15 (22.06.2016) des Gerichtshofs der Europäischen Union hinweisen. Laut ihm bestehe kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der öffentlichen Rundfunkdienstleistung in Tschechien und der da geltenden Geräteabgabe (Rn 23). Desto weniger besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der deutschen öffentlich rechtlichen Rundfunkleistung und der deutschen Wohnungsabgabe. Nicht mal ein mittelbarer Zusammenhang besteht. Der "Beitrag" ist keine Gegenleistung für eine Leistung. Es bestätigt das Erkenntnis im Urteil 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 (27.07.1971) des BVerfG, das ich in §3 meines Schreibens vom 29.07.2015 zitierte und auf dem ich im letzten Absatz meines Schreibens vom 17.09.2015 trotz dem unbegründeten Einwand des VG Berlin, das Zitat sei aus dem Zusammenhang gerissen, bestand.

    Wenn die Abgabe ein klassischer Beitrag wäre, würde sie sich von einer Steuer abgrenzen, wie es für ihre Rechtmäßigkeit nötig ist. Man kann darauf bestehen, die Zwangsabgabe Beitrag zu nennen, damit wird sie nicht zu einem Beitrag. Man kann den Begriff des Beitrags erweitern, bis diese Abgabe endlich zu einem Beitrag werde, aber mit Basteln am Begriff des Beitrags wird man die Abgabe nicht von einer Steuer abgrenzen können.